Man lebt nur zweimal

Ein Land Rover Typ 86 mit bewegter Geschichte und sein jüngster und letzter gültiger Ableger, der Defender Heritage, treffen einander in London. So hält man vergangene Tugenden hoch.

  • Text
    David Staretz
  • Fotos
    Amy Shore

Da ist der grüne Lack, das berühmte Deep Bronze Green (auch bekannt als Ascot Green), und darunter, wo ihn Witterung und Gebrauch von sechzig Jahren ausdünnten wie ein zerspieltes Matchbox-Modell, ist nichts, keine Grundierung, nur blankes Birmabright, die typische Land Rover Legierung aus Aluminium, Magnesium und Mangan aus Birmingham, wo man sie während des Zweiten Weltkriegs für die Flugzeugproduktion herstellte. Anders als Duralumin härtet Birmabright mit dem Alter nicht aus und ist unempfindlich gegen Salzwasserkorrosion. Zu maschineller Fabrikation ist es eher ungeeignet, weshalb der technische Direktor Maurice Wilks nach Karosserieformen suchte, die sich leicht per Hand dengeln und sägen ließen. Stahl war ja nicht zu bekommen, vorhandene Kontingente wurden eingesessenen Unternehmen zugesprochen, die in das Ausland exportierten. Land Rover hatte gerade eine allererste Serie herausgebracht auf dem Chassis des verlässlichen Willys Jeep, vom dem jede Menge herumfuhren im United Kingdom.

Der Typ 86, gebaut ab 1953, emanzipierte sich von der amerikanischen Grundlage mit dem berühmt gewordenen, aus Blechstreifen zusammengeschweißten Leiterrahmen und einem auf 86 Inch verlängerten Radstand. Unser Modell wurde 1955 nach Australien ausgeliefert, und zwar CKD, was »Completely Knocked Down« bedeutet und keinen Besitzer von Land Rover erschrecken kann. Zumal man in Sydney eine Niederlassung hatte, die alle Teile werksgemäß zusammenschraubte.

Die Seitenfenster ließen sich samt Rahmen mit einem Handgriff aushängen, das Kühlergitter wurde über offenem Feuer gern als ­Barbeque-Grill verwendet.

Käufer (und Vater des jetzigen Besitzers) war F. B. Burton, der uns hier am rechten Kotflügel einen markanten Hinweis überließ: »Mount Gilead Jindabyne«. Das Gebiet liegt im Südosten von New South Wales in den Snowy Mountains, 460 Kilometer von Sydney entfernt. Gilead war einst das biblische Land der Weizenfelder, unser Mount Gilead hier hat eine spezielle lokale Geschichte der Prosperität. Und der Typ 86 war ein Arbeitstier, verlässlich, originär, unverzärtelt, »Farmers Friend«, wie man ihn damals nannte. Erst musste man aber die Kinder rauskriegen, die ständig dran und drin herumturnten. ­Fantastische Räuberhöhle unterm Canvasbezug! »Wir machten alles im Old Green Girl«, sagt ­Burton junior, »wir fuhren zum Fischen, und vorne quer unter der Windschutzscheibe war ein leichtes Gewehr eingespannt, falls Vater einen Hasen sah, den er während der Fahrt kurzerhand abknallte.« Als Reminiszenz daran ist heute dort eine 22er-Patrone anstelle der Waffe befestigt. »Heizung gab es keine«, erzählt der Besitzer, »aber eine weitere Lage Gewand. Meine Schwester und ich saßen hinten bei den Hunden, der kleine Bruder vorne zwischen Vater und Mutter. Es gibt ja bekanntlich drei Plätze vorne.« Alle Kinder wurden im Land Rover aus der Geburtsklinik geholt, alle drei lernten später das ­Autofahren damit »dank eines untergelegten Polsters«.

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Aus dem Arbeitspferd war ein Familienmitglied geworden. Freilich ohne dadurch an Nutzen und Praktikabilität einzubüßen, wie sie dem Auto mitgegeben waren im Sinne der Erfinder. Die Seitenfenster ließen sich samt Rahmen mit einem Handgriff aushängen, das Kühlergitter wurde über offenem Feuer gern als Barbeque-Grill verwendet, und die Lehnen der drei Vordersitze ließen sich umklappen, falls es in das abgedeckte Auto regnete. So konnte man die Sitzflächen trocken halten. Umlegbar war auch die Windschutzscheibe, jedenfalls solange vorn kein Reserverad aufgeschraubt war. Näher kann man der Natur in einem Auto kaum kommen.

Der Zweiliter-Vierzylinder-Motor leistete nur rund 50 PS, galt aber als unverwüstlich und lief praktisch mit allem, wo Entzündliches drin war. 80 Oktan genügten ihm völlig. Anders als die Nachfolgemodelle war der Typ 86 noch sanft gefedert. Sein Tank lag bei Rechtslenkermodellen unter dem Fahrersitz wie bei späteren Modellen auch, jedoch fand man den Einfüllstutzen, indem man kurzerhand die Sitzfläche hochklappte und den Verschluss abschraubte. Ein ausziehbarer Blechhals samt Sieb-Einsatz erleichtert auch heute noch das Befüllen. Untendrin schwimmt ein erratisches Anzeigemodul. Aber wenn man wirklich wissen will, wie viel Sprit noch vorhanden ist, schaut man besser direkt nach, denn die insektenhaft zitternde Tankanzeige hat eine Amplitude von Null bis Voll. Nach dem Einschalten der Zündung erklingt das typische Surren der Benzinpumpe, die den Vergaser befüllt. Ein separater Startknopf unterhalb des Dashboards ruft den Motor ins Leben.

Notfalls, wenn die Batterie versagte, konnte man sich auch mit der extralangen Startkurbel behelfen. »Die Chancen, dass entweder der Motor anspringt oder der Arm durch die zurückschlagende Kurbel bricht, stehen fünfzig zu fünfzig« erklären fachkundige Briten mit trockenem Humor. Drei Hebel ragen aus dem Bodenblech...

→ Die gesamte Geschichte lesen Sie in der ramp #60 »Unfassbar. Cool.«.

David Staretz

David Staretz

Freier Autor
Der Wiener Autor ist ein kinetisches Wunder. Nicht nur, dass er jedwedem Luxus- oder Sportgefährt mit geübter Hand und fahrenderweise seine Geheimnisse entlocken kann, die er hernach wohlfeil zu Papier bringt. Auch ist der ehemalige Chefredakteur der Autorevue regelmäßig fotografierend als Reisereporter unterwegs, und für die Zeit dazwischen hat er um die Jahrtausendwende begonnen, wundersame kinetische Kunstwerke für sein Kontor Staretz zur Belustigung der Passanten zu bauen. Daneben findet er auch noch Zeit, hin und wieder ein Buch zu publizieren – sofern er nicht gerade mal wieder für ramp im Einsatz ist.
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