Der Berg ist für den Menschen seit jeher ein Faszinosum. Wir müssen hinauf, wir wollen ein Ziel erreichen, aufsteigen, uns selbst erkennen in der Abgrenzung zur Herausforderung.
Herr Mersch, sollten wir alle noch viel öfter auf Berge steigen?
Da bin ich etwas hin- und hergerissen. Ich bin kein Verfechter des Ansatzes, dass wir eine bessere Gesellschaft hätten, wenn alle öfter in die Berge gehen würden. Ich glaube zwar sehr wohl, dass wir als Menschen den Kontakt zur Natur verloren haben und dass gerade Wandern oder Bergsteigen ein weites Feld öffnet, das von einer eher geistigen Auseinandersetzung mit der Natur bis hin zu archaischen Extremsituationen reicht, in der es um Leben und Tod geht. Ich denke aber auch, dass man ein erfülltes und glückliches Leben führen kann, ohne in die Berge zu gehen. Es gibt Menschen, die finden ihr Glück in einem Schachclub, im Trachtenverein oder wo auch immer. Ich verstehe nicht, wie Menschen ohne Berge oder Natur glücklich werden, ich weiß nur, dass sie es können – und dass ich es nicht könnte.
Sie sind Spitzenbergsteiger, studierten später noch Psychologie und arbeiten heute als Bergführer. Wieso Psychologie? Wieso diese Kombination?
Ich glaube, dass ich durch mein intensives Leben einen großen Schatz an Erlebnissen, Erfahrungen und Wissen angesammelt habe, die jederzeit im Hier und Jetzt mitschwingen. Daraus entwickelte sich eine große Gelassenheit und Ruhe: Ich kann wirklich ganz entspannt sein und mich auf das freuen, was als Nächstes kommt. Und das sind oftmals auch kleine Dinge. Was meinen Werdegang angeht: Ich wurde sehr früh Bergführer, schon während der Abiturprüfungen startete ich die Ausbildung. Ich wollte aber nie nur Bergführer sein, sondern dazu einen sozialen oder handwerklichen Beruf ausüben, also studierte ich erst Physik, merkte aber schnell, dass es für mich nicht passt. Ich sattelte dann auf Psychologie um und habe da das Diplom gemacht. Schon während des Studiums merkte ich, dass ich nicht in einem starren Setting einer Praxis kranken Menschen helfen möchte, wieder gesund zu werden, sondern dass ich Menschen begleiten möchte, die sich auf ein Thema konzentrieren wollen, die sich entwickeln wollen. Und so bedingte das eine das andere, bis zu dem Stand, an dem ich heute bin.