Aber was gibt ihnen anregend Halt? Welche Rolle spielen etwa relevantes Wissen und fundierte Bildung im Kontext von Designarbeit, für Offenheit, Intuition und Kreativität? Und wie mixt sich das dann alles beispielsweise sehr konkret zu einem neuen Porsche 911? Ein Interview mit Michael Mauer, Designchef von Porsche und Leiter Konzern Design Volkswagen.
Herr Mauer, die Vorstellung, dass Designer ihre Arbeit mit einem weißen Blatt wunderbar unbefangen beginnen, ist sehr verlockend. Allerdings ist gerade Design für Automarken wie überhaupt für Premium- und Luxusmarken der Schlüssel zum Erfolg. Ohne eine exakt definierte Aufgabenstellung wird sicher nicht gearbeitet. Welche Bedeutung haben hier Wissen und Bildung?
Wissen und Bildung sind eng miteinander verwoben. Bildung vermittelt Werte und Haltung, hilft uns, Wissen einzuordnen und zu bewerten. Als Designer arbeiten wir oft an der Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dabei sehe ich Wissen als eine Art Grundvoraussetzung, um Entscheidungen treffen zu können. Ohne ein fundiertes Wissen, ohne reflektierte Erfahrungen können wir keine wirklich neuen Ansätze entwickeln. Man braucht eine Basis, aus der heraus man kombiniert und Neues schafft. Das Wissen um das, was eine Marke im Kern prägt, ist hier ebenso von Bedeutung wie das von einem größeren Blick und Erfahrung geschärfte Wissen um die Welt, in der die Marke mit ihren Produkten und Leistungen Erfolg haben soll.
Sie sprechen von Erfahrungen und Wissen als Grundlage. Aber wie passt Intuition in diesen Prozess?
Voraussetzung für Innovation ist ein Denken in Wirklichkeiten und Möglichkeiten. Darauf sind Designer trainiert. Sie können sowohl divergent als auch konvergent denken, sind unkonventionelle Querdenker und von klaren Zielvorstellungen geprägte Längsdenker in einer Person. Im Prinzip geht es Designern darum, das Gegebene kreativ zu mixen, das Zufällige zu antizipieren und so die Fähigkeit der Kombination und Improvisation ideal zu nutzen. Designer arbeiten auf der einen Seite sehr rational, dann wiederum meldet sich immer wieder ein sehr ausgeprägtes Bauchgefühl.
Welche Bedeutung hat dann so ein intuitives Bauchgefühl letztlich? Ist das nicht etwas vage?
Intuition muss selbstverständlich wie jedes Urteilen über Wirklichkeit in verschiedenen Dimensionen beschrieben und kritisch hinterfragt werden. Die moderne Wissenschaft versteht Intuition als eine sehr verlässliche Quelle des Verstehens oder der Erkenntnis, die uns ohne bewusstes Schlussfolgern zur Verfügung steht und es uns gerade in komplexen Entscheidungssituationen ermöglicht, Wahrnehmungsurteile und -entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen. Intuition also als ein integratives Bauchgefühl, das das menschliche Gehirn in seiner langen Evolutionsgeschichte herausgebildet hat, um blitzschnell Bedeutsames zu bewerten und sicher zu agieren. Unterscheiden muss man auch zwischen einer elementaren und intelligenten Intuition. Die elementare Intuition greift als automatisierter und somit unbewusster Informationsverarbeitungs-prozess, ohne der aktuellen Herausforderung deutliche Aufmerksamkeit zu schenken.
… zum Beispiel?
… zum Beispiel beim Fahrradfahren auf unebenem Gelände. Die sogenannte intelligente Intuition beruht dagegen auf der verdichteten Resonanz unseres ganzen Erfahrungssatzes, inklusive unserer empfundenen Identität und Werte. Intuition also in diesem Fall als ein Wissen, das auf Erfahrung beruht und in direktem Kontakt mit dem Wahrgenommenen erworben wird. Die Stärke dieser intelligenten Intuition liegt in ihrer Tiefe, mit der sie aus dem fortwährenden Umgang mit den Dingen und aus dem unbewussten Zusammenspiel von Erfahrung und Wissen Aha-Erlebnis-Erkenntnisse liefert.