Es war Mitte der Achtzigerjahre und ich erhielt eine Postkarte aus New York, abgesendet von einer jungen Fotografin: »Warum kommst Du nicht einfach rüber und schaust Dir das an?«
So einfach war das. Der Lastenaufzug hob sich lähmend langsam, mündete aber direkt in das Loft in Brooklyn, Flatbush Av., wo die Fotografin mit zwei Freundinnen wohnte.
Es war noch nicht Mitternacht, also zogen wir alle los. »Nice way you are showing us around«, sagte Sue zum Taxifahrer, der sofort anbot, uns hier mitten auf der Brücke aussteigen zu lassen. Mir war es egal. Erste Nacht meines Lebens in New York und – hurray!
Wir landeten bei S.O.B.’s, Sounds of Brazil, einem kleinen Musikklub in SoHo. Die Bühne lag direkt links neben dem Eingang und der Mann bot eine unerhörte Show, ich war völlig erschüttert. Es war Arto Lindsay (& Ambitious Lovers), vehement, unartikuliert präzise, unfassbar modern und erschütternd mutig hinter dicken Dioptrien im Krankenkassendesign. Exclamation marks as a kind of music. Das Publikum ging mit – oder einfach hin und her im Graubereich der Bar. Neben mir stand John Lurie und schnippte mit den Fingern der rechten Hand, die er lässig angewinkelt hielt. Ich musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass die andere in der Tasche seiner stoffreichen Bundfaltenhose steckte. Ich vermied es hinzusehen, denn im Grunde war alles so selbstverständlich und gegeben, wie man es als junger Mann in seiner ersten Nacht in New York erwartet. Außerdem musste ich nach den Girls sehen, die wollten noch um ein paar Häuser ziehen.