Amazonas spürte mein Verlangen, welches durch den schwarzen »turbo«-Schriftzug noch gesteigert wurde. Zuvorkommend öffnete er mir die Tür des kellerfenstertief stehenden Zweisitzers: »Wenn ich bitten darf.« Ich stellte das Glas am Boden ab und ließ mich in den mit Connolly-Leder überzogenen Schalensitz fallen. Die Beine horizontal gelagert wie in einem Rennwagen. Von vorn bedrängte mich die flache Windschutzscheibe und der bogenförmige Instrumentenkasten, von rechts der hohe Mitteltunnel, von oben drückte das Dach gegen meinen Kopf, und der Motor hockte mir im Genick. So gehört sich das in einem Lotus, jeder weitere Millimeter Raum würde nur ein weiteres Milligramm Gewicht bedeuten. Colin Chapmans Lehre, die ich seit meinem dritten Lebensjahr frei aufsagen kann und die zum Klügsten gehört, was ein menschliches Gehirn je ausbrütete, lautet: »Mehr Leistung macht ein Auto auf der Geraden schneller, weniger Gewicht überall.« Freunde der fortgeschrittenen Querbeschleunigung, lasst uns in Stockholm eine Petition zur Verleihung des posthumen Nobelpreises in Physik für Colin Chapman einreichen, jetzt oder nie!
Mein Blick verlor sich im Grüngelb des Lotus-Emblems auf dem kleinen Lederlenkrad und tauchte hinab in die Tiefe der Jahre. Ich sah Jim Clarks letzten Sieg (Kyalami 1968), ich sah Graham Hills Helm mit den weißen Ruderblättern des London Rowing Club, ich sah das Wrack Jochen Rindts in der Parabolica von Monza, ich sah die legendären Koteletten Emerson Fittipaldis und den kleinen Italo-Amerikaner Mario Andretti im unbesiegbaren Lotus 79. Der geniale Chapman hatte sie zu Champions gemacht, wenngleich Rindt es nicht mehr erleben durfte, er hatte immer gesagt: »Entweder ich sterbe in dem Lotus, oder ich werde damit
Weltmeister.« Und dann war er tot und Weltmeister, in der Reihenfolge, das schafft nicht jeder. Ich tauchte wieder an die Oberfläche des Hier und Jetzt und sagte zu Amazonas: »Ich muss diesen Lotus fahren, sehr bald, und natürlich mit Dir an der Seite.« – »Jederzeit, und wohin auch immer, mein Lieber.« So verblieben wir.