Der wüste Freund: Chevrolet Camaro 350 Rally Sport

Armin hatte sich diesmal selbst übertroffen. Der Mann, der eine Reihe hoch-exklusiver Fahrzeuge besitzt und sie uns ab und an für eine gute Geschichte zur Verfügung stellt, fragte, ob wir nicht mal wieder Lust auf ein Muscle Car hätten, zum Beispiel den Chevrolet Camaro 350 Rally Sport. Na, was für eine Frage! Wir sattelten die Hühner und machten uns auf den Weg zu ihm. Der Zündschlüssel und die Papiere waren aber nicht alles, was Armin uns dann übergab. Er hielt auch ein in einer durchsichtigen Plastikhülle steckendes Briefkuvert in der Hand. Darin befänden sich fünf gefaltete DIN-A4-Seiten. Gut leserliche Schrift in englischer Sprache. Verfasst vor 49 Jahren vom amerikanischen Erstbesitzer. Besser als jeder von uns geschriebene Testbericht (Danke fürs Kompliment). Mehr verrate er nicht. Er sagte nur noch, dass er selbst den Wagen von einem Holländer in erbärmlichem Zustand gekauft und eine Vollrestauration durchgeführt habe. Der Niederländer habe den Wagen aus den USA nach Europa überführt. Die genaue Zahl der Vorbesitzer sei unbekannt.

Als Erstes fuhren wir mit dem Camaro zu einer Bäckerei, gingen hinein, bestellten schwarzen Kaffee und beugten uns über den Brief. Kugelschreiber mit blauer Schriftfarbe. Wir lasen ihn zwei Mal. Derartiges war uns noch nicht unter die Augen gekommen. Uns war klar: Den müssen wir übersetzen und abdrucken. Bitteschön, hier in voller Länge.

Hi!

Ich heiße Trevor Coleman. Ich darf Ihnen gratulieren. Der Camaro wird Ihnen viel Freude bereiten. Sie haben, wenig überraschend, diesen Brief im Handschuhfach gefunden. Sollten Sie den Wagen, wie ich, irgendwann verkaufen, lassen Sie den Brief unbedingt drin. Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, dass auch der nächste Besitzer (und wer weiß wie viele noch) ihn lesen kann. Ich will, dass der Camaro eine Geschichte hat, die weitererzählt wird. Wenn Sie ihn gegen die Wand fahren – glauben Sie mir, das ist die leichteste Übung mit der Karre, dafür müssten Sie sich nicht schämen – und keiner will den Schrotthaufen noch haben, steht es Ihnen frei, den Brief in Ihre Hände zu nehmen und anderswo in Ehren zu halten. Vorausgesetzt, Sie haben überlebt.

Lassen Sie mich nun aber beginnen: Ich komme aus Wyoming. In unserer Familie sind alle Viehzüchter, meinem Dad gehören die größten Herden von allen Colemans. Ich wurde groß auf einer Farm außerhalb von Cheyenne. Jeden Morgen fuhr ich mit dem Bus in die Stadt, immer in Begleitung meiner zwei besten Freunde, Andy Barnett und Elliott Perkins. Andys Dad hat noch mehr Rinder als mein Dad, und Elliotts Dad hat mehr Rinder als Andys Dad. Von der Bushaltestelle gingen wir zu Fuß fünf Minuten bis zu unserer Schule. Der Weg führte an der Autowerkstatt von Frank Palania vorbei. Er war Ende dreißig und besaß einen Pontiac GTO. Wenn er den anmachte, erzitterte halb Cheyenne, da wusste man, wo der Pfeffer wächst. Palania fuhr damit nie auf der Straße, sondern nur bei Amateurrennen auf irgendwelchen staubigen Pisten.

Kennen Sie übrigens diese GTO-Story? Der Pontiac konnte nur deshalb so heißen, weil einer von den rotweindurchtränkten Italienern vergessen hatte, die drei Buchstaben – G (Gran) T (Turismo) O (Omologato) – patentieren zu lassen. Ich wäre zu gern dabei gewesen, als der gute Enzo erfahren musste, dass eine Ami-Kutsche für ein paar läppische tausend Dollar unter der gleichen Bezeichnung lief wie sein berühmter Ferrari GTO.

Eines Tages, 1964, wurden wir angelockt vom Motorenlärm aus der Werkstatt und wagten uns hinein. Palania war ein netter und unkomplizierter Typ. Wir durften uns in den Pontiac setzen, das Lenkrad anfassen und uns vorstellen, wie er sich in der Beschleunigung anfühlt. Von nun an waren wir Palanias Stammgäste. Einmal nahm er uns sogar zu einem Rennen mit. Er schien kein guter Racer zu sein, drehte sich gern und verschätzte sich beim Bremsen. Das war uns egal, unser hauptsächliches Interesse galt ab jetzt schnellen Autos und dem Motorsport. Mit Baseball konntest du uns jagen. Anfang 1966 verschwand Frank Palania über Nacht, die Werkstatt leergeräumt bis auf den letzten Kreuzschlüssel. Angeblich hatte er hohe Steuerschulden.

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→ Die gesamte Geschichte lesen Sie in ramp #65 »Surfing Cowboys«.