Genau das ist ja der Wahnsinn. Als wären 830 PS und 692 Newtonmeter Drehmoment nicht schon Kampfansage genug – in Kombination mit dem Hinterradantrieb wird die Sache gemeingefährlich, selbst der größte Depp in Physik kann sich das ausmalen. Man muss schon Verstappen heißen, um diese dämonische Mixtur ungefiltert (sprich: »ESC off«) zu verarbeiten. Der fliegende Holländer und wahrscheinlich zukünftige König der Niederlande würde nach einer Proberunde aber vermutlich nur etwas gelangweilt sagen: »Is gud, ja, aber bisschen su soft, ich meine das Heck, wenn ich mit Vollgas aus der Kurve, ja, dann is su soft das Heck, es könnte für mich, wie sagt man, ich glaube wütender, ja, nein, bisschen aggressiver sein, dann wär gud.« Wer NICHT ungefähr Verstappen heißt und am Leben hängt, dem sei gesagt: »Niemand kann Dir verbieten, das elektronische Stabilitätsprogramm zu deaktivieren. Jedoch bedenke: Es könnte Deine letzte Fahrt sein. Und dann gelangst Du an einen Ort, an dem es nur lautlos schwebende Engelskutschen gibt, da stirbst Du vor Langeweile ein zweites Mal.« Ferrari sollte vom italienischen Verkehrsministerium verpflichtet werden, diese Worte auf marmoriertem Papier drucken zu lassen und der Betriebsanleitung beizulegen.
Man wäre dann soweit startklar – auf geht’s in shakespearsche Dimensionen! »Die Hölle ist leer, alle Teufel sind in diesem Auto!« Aus seinen armdicken Endrohren rotzt der Ferrari ein Inferno in die Atmosphäre. Der Fahrer fragt sich: »Wie kann etwas so Schönes so böse sein?« (Dachte Johnny Depp nicht genauso, und zwar von seiner Ex-Frau Amber Heard?) Du jagst ihn gleich hoch bis knapp an die Grenze seiner Belastbarkeit, auf 9.000 Kurbelwellenumdrehungen, leiser wird er nicht, aber immer überreizter und aufbrausender, der große, gelbe Drehzahlmesser starrt dir entgegen wie das Auge des Zyklopen, du drückst mit den Fingern deiner rechten Hand das Paddel am Lenkrad zu dir und switchst in den zweiten Gang, dein Blick bleibt für eine Sekunde auf dem Manettino hängen, diesem kleinen Drehrad für die Einstellung der Fahrmodi, und verlockend wie die Schlange im Paradies blitzt dir »ESC off« entgegen (»Schalt mich ein, komm schon, Warmduscher!«), aber es ist noch gar nicht lange her, da hast du diesen alten italienischen Schwarz-Weiß-Film gesehen, in dem ein Seiltänzer ohne Sicherheitsnetz in schwindelerregender Höhe über einen großen Platz balanciert und in die Tiefe stürzt und nicht mehr aufsteht, du willst nicht dieser Seiltänzer sein, dein Sicherheitsnetz ist der »Race«-Modus, was nach mehr klingt, als es ist, du würdest immer rechtzeitig eingefangen von der Elektronik, selbst ein dressierter Affe – um die Worte eines dreifachen alpenländischen Formel 1-Weltmeisters zu bemühen – würde damit über die Runden kommen. Nein, lassen wir Vernunft walten, die Story nicht vollends ins Morbide abdriften, ignorieren wir diese Schlange, die noch böser ist als das Auto selbst. Berauschen wir uns stattdessen an jeder Sekunde und an jedem gefahrenen Meter. Berauschen wir uns an der gelochten Alu-Pedalerie und diesem verschwenderischen Umgang mit Karbon. Berauschen wir uns an dem Kamerabild, das den Rückspiegel ersetzt und das Geschehen hinter uns wie in Zeitraffer darstellt. (Andererseits bedauere ich den fehlenden Rückspiegel, weil ich am Steuer von Autos ab 600 PS meinem Spiegelbild gern zuflüstere: »Du bist der tollste Hecht seit Dschingis Khan.«) Und atmen wir schließlich, während wir rasen, ganz bewusst ein. Dann riechen wir, wie sehr dieser Ferrari stinkt, nach furchtbar viel Geld nämlich, oh ja, auch am Gestank des Geldes kann man sich berauschen – also ich schon.