Wie könnte man Bildung besser organisieren?
Interessant ist, dass vieles, was die Politik über die Organisation
von Bildung wissen müsste, bereits im 19. Jahrhundert zu finden ist.
Wilhelm von Humboldt hat damals eine neuartige allgemeine Bildung
vorgedacht, und man könnte einige seiner Ideen einfach kopieren: zum
Beispiel, dass man das selbständige Lernen lehren und an ausgewählten
Fächern modellhaft an praktischen Beispielen festmachen sollte. Es ist
in diesem Zusammenhang kein Zufall, dass Deutschland in den
Zwanzigerjahren so viele Nobelpreisträger in den Naturwissenschaften
hervorbrachte. Die sogenannten Realgymnasien waren sowohl akademisch als
auch praktisch orientiert und damit unglaublich erfolgreich. Das war
ein preußisches Bildungsmodell, supermodern.
Aber Ihnen geht es nicht um Ausbildung, sondern um Bildung?
Exakt.
Nie war ganzheitliche Bildung mit Kopf, Herz und Hand wichtiger als
heute, da Wissen dank des Internets mehr oder weniger überall abrufbar
ist. Aber um »facts« und »alternative facts« bewerten zu können,
brauchen Menschen kritisches Denken und eine Art Prüfrahmen. Mit anderen
Worten: Unsere Schulen müssen ein Grundfundament an Wissen vermitteln,
aber zugleich Denkfähigkeit, um es in sich rasant verändernde Kontexte
einordnen zu können.
Und wie kommen wir dahin?
Die Politik müsste einfach einmal den Reset-Knopf drücken. Dann holt man sich Bildungswissenschaftler, Lehrer und Professoren aus der Praxis, Eltern und Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen und klärt, wie das Schulwesen zukunftsorientiert neu aufgestellt werden kann. Was muss man verändern, was kann individualisiert werden? Es gibt einen riesigen Reformbedarf – und vor allem sollte man das deutsche Schulsystem vereinheitlichen. Damit alle, die ein Abitur oder einen anderen Abschluss machen, einheitlich gebildet und ausgebildet sind. Damit alle Absolventen vergleichbare Fähigkeiten mitbringen, wenn sie an einer Universität studieren oder eine Ausbildung anfangen.
Was ist mit Fähigkeiten wie Sport oder Musik? Oder mit Softskills wie Neugier?
Co-curriculare Angebote sind der Grund, warum ich von Internaten als 24/7-Schulen so begeistert bin – Vergleichbares habe ich während meiner Schulzeit in Westfalen nie erlebt. Im Internat sind die Schüler rund um die Uhr, dadurch gibt es mehr Raum für gemeinsame Aktivitäten und die durch natürliche Neugierde getriebene Arbeit an den verrücktesten Themen. In Internaten und auch an guten Ganztagsschulen kann man großartige Dinge tun, welche die Schüler in besonderer Weise fordern, fördern und inspirieren. ( ...)