Ich rolle hinter dem Führungsfahrzeug – ebenfalls ein Assetto Fiorano, welcher von einem vollbärtigen jungen Mann namens Francesco gelenkt wird – auf den Track hinaus. Francesco ist Testfahrer bei Ferrari. Das ist einer der coolsten Jobs der Welt, denke ich, kommt noch vor Krokodilfänger oder Modelscout. Mäßiges Tempo also. Zunächst einmal bin ich erstaunt darüber, dass mir der Streckenverlauf kaum noch in Erinnerung ist. Dabei fahre ich zum dritten Mal hier. Lange her allerdings, zuletzt mit dem 575M Maranello bei strömendem Regen, ein Ritt auf der Rasierklinge. Mein erster Eindruck von dem Assetto Fiorano: Der Motor macht eins zu eins, was dein Fuß macht. Gasannahme, wie sie direkter nicht vorstellbar ist. Und wo sind diese anderthalb Tonnen? Man nimmt sie kaum wahr. Charles Leclerc, der Ferrari F1-Pilot, sagte schon über das Basismodell: »In den Kurven fühlt sich der Wagen deutlich leichter an als er ist. Es ist erstaunlich, wie wenig man das Gewicht spürt. Der Wagen ist sehr agil.« Karli, was sagst Du dann erst über diesen hier, mit seinen 30 Kilo weniger! Easy going mit 1.000 PS – die erstaunliche Erkenntnis nach dem Warm-up. Überlagert freilich von der Vorahnung, dass es am Nachmittag trotzdem heftig wird.
Es folgen mehrere von Ingenieuren gehaltene Vorträge im klimatisierten Raum eines ebenerdigen Gebäudes, gleich schräg gegenüber der Villa des toten Paten. Hauptsächlich geht es um Technik, aber so recht zuhören will keiner, alle sind nur geil aufs Fahren. Dann gehen wir zum Mittagessen ins Restaurant Cavallino in Maranello. Der Commendatore war hier Stammgast, die Kellner tragen schwarze Anzüge, im Eingangsbereich eine Bilderwand mit den Helden vergangener Tage. Niki Lauda fehlt natürlich auch nicht. Einer der Kellner bewundert mein Shirt. Er sagt »Ciao, Niki!« zu mir, bittet mich vor die Wand, platziert mich zentimetergenau neben ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Bild von Niki Lauda und fotografiert mich mit seinem Handy. Die Journalisten sehen das. Der Druck, der jetzt wieder auf mir lastet, ist enorm. Nur mit Mühe krieg’ ich die Tortelloni hinunter. Als ich den Espresso trinken will, bekomme ich eine WhatsApp-Nachricht von meinem 72-jährigen Vater: »Wollte Dir nur mitteilen, dass ich Fiorano auf der Playstation gerade in 1:24 gefahren bin – mit dem Ferrari 488 GT3, auf der letzten Rille. Ich ziehe immer noch Kreise um Dich.« Schon des Öfteren schrieb ich in diesem Magazin über meinen Vater, den ehemaligen Motorsportfotografen.