Keanu Reeves gilt als der netteste Star der Filmbranche – er spendet für Obdachlose und Teammitglieder, verzichtet auf Teile seiner Gage, steht für ältere Damen in der U-Bahn auf. Als sei das nicht genug, ist er auch noch ein Musterbeispiel an Bescheidenheit. Nein, das ist keine Rolle, die er spielt, auch im persönlichen Interview ist 60-jährige höflich, wirkt schüchtern und gedankenvoll. Das lässt ihn ungeheuer sympathisch herüberkommen und trägt zu seiner Legendenbildung natürlich noch bei. Was man allerdings auch erwähnen muss: Reeves ist jetzt auch nicht der Typ, der einen an der Bar spontan auf einen Drink einlädt. Es bleibt eine Distanz – oder man könnte auch sagen: ein Hauch von Geheimnis. Aber diese Mystik, die sich auch in seinen manchmal schwer greifbaren Antworten wiederfindet, gehört zum Phänomen Keanu Reeves eben dazu.
Mister Reeves, Sie begannen Ihre Filmkarriere vor 40 Jahren, haben Franchises wie »Matrix« und »John Wick« geprägt, wie würden Sie das Wesen Ihres Jobs erklären?
Ein Schlüssel meiner Arbeit besteht darin, in etwas Fremdartiges einzutauchen und die Grenzen meines Selbst zu verlassen. Kommt die Unterstützung des Filmteams hinzu, wird es zu einer sehr angenehmen Erfahrung. Die habe ich aber nicht für mich allein, sie spielt sich im Kontext einer Geschichte ab, mit der ich andere Menschen unterhalten möchte.
Aber wenn man seine eigenen Grenzen überschreitet, kann das auch unangenehm werden?
Ich würde sagen, dass dabei ein Gefühl der Beklommenheit eintreten kann. Das ist der Fall, wenn ich mich auf eine Rolle vorbereite, sie ragt dann wie ein Berg vor mir auf, und ich weiß nicht, ob ich ihn erklimmen kann. Da hilft nur, dem Prozess zu vertrauen und in die andere Existenzform einzutreten. Dann lösen sich alle Bedenken auf.
Wenn man die Grenzen seines Selbst verlassen will, muss man wissen, wo sie verlaufen. Wie lernt man sich kennen?
Das ist eine gute Frage. Ich habe mich mit verschiedenen Techniken beschäftigt, die dabei helfen. Man muss versuchen, objektiv seine Gefühle zu verstehen und wie man auf bestimmte Erfahrungen reagiert. So begreift man, was Schmerzen verursacht, und versteht auch, dass diese Schmerzen endlich sind.