Sigmund Freud fuhr niemals Motorrad. Ist zumindest zu vermuten, denn dann hätte er anders über den Kampf zwischen Liebes- und Todestrieb gedacht, in dem wir uns ständig befinden. Vielleicht hätte er die rund 25 Motorradjournalisten, BMW Motorrad PR- und Marketingmenschen hier auch einfach für verrückt erklärt. Die haben sich hier am Vorabend zu einer Rundfahrt durch England mit verschiedenen BMW R nineT und BMW R18 zusammengefunden. Der Ort: das Bike Shed, 384 Old Street, Shorditch. Neben dem Ace Café vielleicht der Hotspot für Biker in London. Alle um mich herum betrachten das Motorradfahren als natürliche Form der Fortbewegung und spulen pro Jahr so viele Kilometer auf dem Bike ab, dass selbst mancher Vertreter in seinem Dienstkombi nicht mithalten kann.
Ich sitze mit John am Tisch. John kommt aus England, Mitte fünfzig, Biker-Kluft, die nach Vintage aussieht, vermutlich aber einfach dreißig Jahre alt ist. Wir reden über das Lebensgefühl Motorrad. Ich erzähle ihm, dass ich früher viel gefahren bin, mit Anfang zwanzig, eine 1996er Ducati Monster. »Nice!«, schmunzelt John. Dass ich damals jedes Mal im Frühjahr für einige Wochen Sehnenscheidenentzündungen an beiden Handgelenken hatte, wegen Kupplung und Gas, verschweige ich. Ich will John nicht unbedingt als Erstes auf meinen schwachen, verwöhnten Körper aufmerksam machen. Ich glaube, er riecht den Braten trotzdem. »Kein Vergleich zu den neuen Bikes, das war damals noch richtig schwere Arbeit!«, sagt er höflich. Ich nicke nur.