Im Fahrtwind gereift: BMW R18

Fahrt mehr Motorrad! Man kann dabei so viel lernen – über Menschen, über Maschinen und das Leben ganz allgemein. Sofern man weiß, wie man die BMW R18 startet.

  • Text & Fotos
    Matthias Mederer · ramp.pictures

Sigmund Freud fuhr niemals Motorrad. Ist zumindest zu vermuten, denn dann hätte er anders über den Kampf zwischen Liebes- und Todestrieb gedacht, in dem wir uns ständig befinden. Vielleicht hätte er die rund 25 Motorradjournalisten, BMW Motorrad PR- und Marketingmenschen hier auch einfach für verrückt erklärt. Die haben sich hier am Vorabend zu einer Rundfahrt durch England mit verschiedenen BMW R nineT und BMW R18 zusammengefunden. Der Ort: das Bike Shed, 384 Old Street, Shorditch. Neben dem Ace Café vielleicht der Hotspot für Biker in London. Alle um mich herum betrachten das Motorradfahren als natürliche Form der Fortbewegung und spulen pro Jahr so viele Kilometer auf dem Bike ab, dass selbst mancher Vertreter in seinem Dienstkombi nicht mithalten kann.

Ich sitze mit John am Tisch. John kommt aus England, Mitte fünfzig, Biker-Kluft, die nach Vintage aussieht, vermutlich aber einfach dreißig Jahre alt ist. Wir reden über das Lebensgefühl Motorrad. Ich erzähle ihm, dass ich früher viel gefahren bin, mit Anfang zwanzig, eine 1996er Ducati Monster. »Nice!«, schmunzelt John. Dass ich damals jedes Mal im Frühjahr für einige Wochen Sehnenscheidenentzündungen an beiden Handgelenken hatte, wegen Kupplung und Gas, verschweige ich. Ich will John nicht unbedingt als Erstes auf meinen schwachen, verwöhnten Körper aufmerksam machen. Ich glaube, er riecht den Braten trotzdem. »Kein Vergleich zu den neuen Bikes, das war damals noch richtig schwere Arbeit!«, sagt er höflich. Ich nicke nur.

Der Ort: das Bike Shed, 384 Old Street, Shorditch. Neben dem Ace Café vielleicht der Hotspot für Biker in London.

Alle um mich herum betrachten das Motorradfahren als natürliche Form der Fortbewegung.

Wir sprechen auch über die Gefahr beim Motorradfahren. John hat im Laufe der Jahre einige Freunde verloren. Er greift nach einer Pommes und tunkt sie in Ketchup. »Weißt Du, Motorradfahren ist nach dem Laufenlernen eine Bewegungsform des Menschen, die nach wie vor all die Elemente enthält, mit denen wir als Neugeborene die Welt entdecken. Ein Baby richtet sich auf, es zieht sich an einem Tisch oder an einer Couch hoch, kippt um und fällt. Und ganz sicher tut es mal weh. Aber so lernt das Baby. Dann kommen die ersten wackeligen Schritte, später als Kleinkind läuft es, hüpft, tut all die Dinge, die ihm das geben, was später sein Körpergefühl ausmachen wird. Es spürt, dass es Mensch ist, und es begreift, dass es nur so vorankommt. Immer verbunden mit einem Risiko. Das war für die menschliche Evolution unabdingbar und wird auch so bleiben. Motorradfahren lehrt uns Erwachsene genau das. Bei jedem Ride. Ich fahre nicht trotz des Risikos Motorrad, sondern wegen des Risikos.« Später erfahre ich, dass John eine Weile Philosophie studiert hat.

1/3

Am nächsten Morgen, Classic Car Club, Startpunkt unserer Tour. Es geht über Oxford, mit zwei kleinen Stippvisiten zu Marshall Amplification in Bletchley und zum Werk von BMW Mini bis nach Goodwood zum Revival. Mein Bike ist eine BMW R18. Ich bin aufgeregt, frage mich, ob ich mit der Gruppe mithalten kann. Also versuche ich, die R18 schon mal anzuwerfen. Doch die Maschine will nicht anspringen. Als ich zum dritten Mal die Zündung aus- und einschalte und auf den roten Startknopf der R18 drücke, die Maschine aber wieder keinen Mucks macht, rufe ich nach Alex. Alex ist von BMW, Alex ist immer gut drauf und erklärt mir eine Besonderheit: Die Eruption, die der Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor beim Anlassen durch Maschine und Körper bollern lässt, ist so gewaltig, dass sich BMW Motorrad aus Sicherheitsgründen dazu entschied, diesen Motor ausschließlich mit gezogener Kupplung starten zu können. Selbst dann, wenn das Getriebe auf neutral steht. Ich will schon meckern ob dieser Schikane, als direkt der Motor dazwischenfeuert. Selbst mit beiden Händen am Lenker drückt die R18 so heftig nach links, dass ich kurz glaube, dass mich ein betrunkener Holzfäller angerempelt hat. Ich erzähle den Witz mit dem Holzfäller am nächsten Tag beim Mittagessen. Keiner lacht.

Die Maschinen sind so breit wie eine Haustür, da schlängelt man sich nicht zwischen den Autos durch, sondern zuckelt voran. Biker langweilt so etwas –und sie kommen auf dumme Ideen.

Wir fahren los. Stop-and-go durch London City. 15 Grad Außentemperatur. Als ich mich unbeobachtet fühle, schalte ich die Heizgriffe an. Wir sind zu siebt, die Maschinen sind so breit wie eine Haustür, da schlängelt man sich nicht zwischen den Autos durch, sondern zuckelt im Stau voran. Biker langweilt so etwas – und sie kommen auf dumme Ideen, was mir den ersten Adrenalinschuss verpasst. Wir warten in erster Reihe an einer roten Ampel. Als die auf Gelb springt, greift Matt neben mir an meinen Lenker und drückt den Totschalter. Sofort geht mein Motor aus. Matt fährt los, fünf sehr routinierte Biker starren mir in den Rücken. Ich kann es spüren. In einer Gruppe wird nicht überholt. Ich werde ganz kurz sehr nervös. Was tun? Kupplung ist noch gezogen. Der erste Gang noch eingelegt. Startknopf. Jetzt! Mit einem energischen Ruck meldet sich der Boxer wieder zurück ins Leben. »Jetzt nur nicht den Motor beim Anfahren abwürgen!«, denke ich. Selbst vor der mündlichen Abiturprüfung war ich nicht so aufgeregt. Test bestanden! Ich fahre los und schließe zu Matt auf, der an der nächsten Ampel wartet. Ich remple mit meinem Vorderrad gegen seinen Hinterreifen. Der kleine Schubs überrascht ihn. Er wackelt kurz, fängt sich aber sofort und grüßt mit Hang-Loose-Geste. Aufnahmeritual abgeschlossen, nehme ich an.

Wir fahren raus aus der Stadt.
Ab da wird es seriöser.

→ Wo die Tour mit BMW unseren Autor in der Folge noch hinführt, was Fußrasten und Alufelgen gemeinsam haben und warum man im Leben immer wieder aufstehen muss? Lesen Sie im vollständigen Text in der ramp #59. Jetzt erhältlich!

Matthias Mederer

Matthias Mederer

Redakteur & Fotograf
Ein Auto. Eine Kamera. Einen Fahrer. Die Location? Gerne eine Stadt wie New York, Kapstadt, Berlin oder Tokio. Wenn obendrein noch ein Taifun durchzieht, sind die Rahmenbedingungen nahezu ideal. Matthias Mederer flucht dann zwar wie ein schlecht erzogener Bare-Nuckle-Fighter, liefert aber auch. Pflicht und Kür. Sein Stil: cineastisch. »Im Grunde geht es bei mir zu, wie in einem harmlosen Tarantino-Film: guter Soundtrack, ein paar verrückte Dialoge und mit ein paar kleinen Tricks prägt am Ende vor allem die Story.« Nun ja, und schreiben kann er auch mehr als beachtlich.
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