Große Gefühle, große Namen, große Geste

Der Pirelli Kalender hat viele Häutungen hinter sich. Vom schlüpfrigen Werkstatt-Pin-up der Sechziger über die glamouröse Supermodel-Parade der Neunziger bis hin zu den kulturpolitisch aufgeladenen Inszenierungen der vergangenen Jahre: Immer wieder wurde verkündet, man habe den Kalender neu erfunden. Meist bedeutete das, dass er denselben Grundbaustein – hochglanzpolierte Aufnahmen schöner Frauen – in eine neue Verpackung steckte.

2026 steht nun der norwegische Fotograf Sølve Sundsbø am Steuer. Ein Meister der surrealen Bildsprache, der digitale Technologien ebenso beherrscht wie die klassische Dunkelkammer – und der seine Models in diesem Jahr mit Themen wie Freiheit, Sehnsucht, Neugier und Emanzipation umgibt. Vor seiner Kamera: eine Mischung aus Schauspiel-, Mode-, Musik- und Sportikonen, darunter Tilda Swinton, Isabella Rossellini, Irina Shayk, FKA Twigs, Venus Williams. Ein Casting, das auf Vielschichtigkeit zielt – und zugleich den exklusiven Nimbus wahrt, der den Kalender seit jeher umweht. Sundsbø Anspruch: »Eine Art Geheimnis, Fantasie, Leidenschaften, das Verlangen nach Emanzipation, die Verbindung zur Natur und unsere Beziehung zu Zeit und Raum. Es ist eine Möglichkeit, uns mit etwas zu verbinden, aus dem wir stammen.« Also posiert Eva Herzigova in einem Aquarium unter Wasser und bei Venus Williams explodiert dann digital hinter der Bühne gleich mal alles. Es prägt das Element Feuer.

Wer Pirelli kennt, weiß: Das Versprechen, mit jeder Ausgabe ein »neues Frauenbild« zu zeigen, ist so alt wie der Kalender selbst. Auch Sundsbøs poetisch-technische Bildwelten sollen diesen Mythos gar nicht abschaffen. Die Motive mögen sich ändern, das Grundprinzip bleibt: Eine limitierte, kunstvoll inszenierte Sammlung, die vor allem eine sorgfältig kuratierte Vorstellung davon zeigt, wie Schönheit, Persönlichkeit und Prominenz in diesen Zeiten gerade zusammenpassen sollen.

Ob das nun feministische Avantgarde oder einfach nur exquisit fotografierter Zeitgeist ist, wird wie immer im Auge des Betrachters liegen. Sicher ist nur: Der Pirelli Kalender 2026 ist ambitioniert, ästhetisch auf höchstem Niveau – und bleibt das, was er seit Jahrzehnten ist: ein Statusobjekt mit großem Namen und noch größerem Produktionsaufwand.

→ pirelli.com