Die Alpine A110, nennen wir sie ein Renault Produkt eigenständiger Linie, muss man als Retro-Car bezeichnen, weil sie optisch auf den Vorgänger aus den Sechziger- und Siebzigerjahren verweist. Das war ein extraleichtes Sportcoupé gleichen Namens, für heutige Verhältnisse dramatisch untermotorisiert, aber im Rennsport sehr erfolgreich, gleich mit dem Gewinn der ersten Rallye-Weltmeisterschaft 1973. Damals konkurrierten ausgesprochen charaktervolle Autos: Citröen DS 21, Fiat Abarth 124 Rallye, Saab 96 V4, Porsche 911, Datsun 240Z oder Ford Escort RS. All diese Fahrzeuge hätten einen ideellen Nachfolger verdient. Nur drei davon haben es geschafft: der Porsche 911, der Fiat Abarth und eben die Alpine A110.
Wie damals als A110 Berlinette wirkt sie auch in ihrer Neuinterpretation sehr zart, sehr markant mit der vierstrahligen Anker-Front, determiniert flach und irgendwie bescheiden in ihrer blau strahlenden Schönheit, die sich von einer herben Ugliness ableitet, was sie umso raffinierter wirken lässt. Die Sportsitze sind umfassend, die Sitzposition tief entspannt – und wenn wir Radiobedienung und -empfang ausklammern, also die gesamte unglückliche Bedien-Elektronik, haben wir für rund 75.000 Euro ein Coupé der puren Lebensfreude, unpraktikabel mit geringem Stauraum vorn und noch weniger Platz hinten, unbequem zu entern und mühsam zu verlassen, somit um nichts weniger als der reinen, herrlichen Unvernunft verpflichtet.
Das wirklich Überraschende erfährt man gleich nach dem Losfahren. Dieses Auto ist so ... nett. Es ist verblüffend komfortabel gefedert und fährt sich in der Stadt wie ein sympathischer Kleinwagen. Erinnert sich jemand an die Renault Dauphine? So in etwa fühlt sich das an; völlig aggressionsfrei, leise, geschmeidig in der Schaltautomatik. Mehr noch: Die Alpine macht so viel Freude wie ein junger Hund. Man denkt: »Was werden wir beide für tolle Abenteuer erleben!«