Wer Hiro Sakai zusieht, wer versucht, den Bewegungen der Finger zu folgen, wenn sie ein bisschen Reis formen, und beim Zuschauen an der schieren Geschwindigkeit scheitert, wird unweigerlich an Eugen Herrigel und sein Buch »Zen in der Kunst des Bogenschießens« erinnert, das Standardwerk der westlichen Zen-Literatur. Hiro Sakai lässt Sushi einfach entstehen. Es passiert eben. Er bereitet es gar nicht wirklich zu. Und dennoch geschieht nichts beiläufig oder nebenher, sondern mit vollem Bewusstsein. Dabei redet Sakai auch nicht – obwohl er durchaus Entertainer-Qualitäten besitzt und sehr viel lacht. »Ich bin sowohl ein kulinarischer Kunsthandwerker als auch ein Entertainer. Ich versuche, das Essen zu einem Kunstwerk zu machen, und ich unterhalte meine Kunden, die an der Theke sitzen und mich bei der Zubereitung von Sushi beobachten.« Dann greift er zum Bunsenbrenner und hält die blau-gelbe Flamme dicht an den Lachs. »Die Krebsoperation hat mir aufgezeigt, dass mein Leben im Zusammenhang mit vielen Menschen um mich herum existiert. Natürlich bin ich nach wie vor stolz auf meine Arbeit als Koch, aber ich sehe mich inzwischen als Teil der Gesellschaft.«
Akkurat und bestimmt legt er ein weiteres Sushi zu den anderen auf ein Holztablett. Seine Zutaten bezieht Sakai aus der Region, sein Wissen und seine Erfahrung bezieht er aus seinem Innersten, das mit jedem weiteren Sushi wächst. »Durch die lokalen Zutaten kreiere ich hier in Europa neue Gerichte. Ich bringe also nicht einfach Japan nach Frankfurt, sondern schaffe hier tatsächlich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung etwas Neues.« Dafür geht Sakai auf verschiedene Märkte in ganz Europa. Interessiert ihn eine Zutat, die er nicht kennt, versucht er sie mit japanischen Kochtechniken zuzubereiten. So entsteht Unbekanntes. Dabei hört Sakai auch auf die Meinung anderer. »Zum Gesamtbild gehört für mich nicht nur die Vollkommenheit des Gerichts, sondern auch die Zufriedenheit der Menschen, die es essen. Das Ganze ist also erst dann vollständig, wenn das Gericht nicht nur mich, sondern auch den Gast zufriedenstellt. Aus diesem Grund versuche ich, mich nicht auf mein eigenes Empfinden zu verlassen, sondern die Meinungen von anderen, vor allem von denjenigen, die nicht Köche sind, aktiv zu berücksichtigen.«