Alle Augen sind auf Ryōyū Kobayashi gerichtet. Er hockt nicht wie üblich auf einem Absprungbalken hoch oben auf einer Skisprungschanze, sondern steht am Rand eines Wasserbeckens eines 70 Jahre alten Sentō, eines öffentlichen Badehauses, im Westen Tokios. Hinter ihm ein handgemaltes Bild des Mount Fuji. Der 50-Zentimeter-Hopser ist ein mehr als ungewöhnlicher Sprung für Kobayashi – einer, bei dem es für ihn nicht darum geht, zu gewinnen. Kobayashi ist hier, um uns mit auf eine Tour durch seine Welt zu nehmen: jene der Mode und des Hip-Hop.
Der 28-Jährige steht oft im Mittelpunkt: Er ist zweifacher Skisprung-Gesamtweltcupsieger, holte bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking Gold und Silber und gewann dreimal die Vierschanzentournee. Doch was ihm im April 2024 gelang, überstrahlt alles: Da sprang Kobayashi weiter als jeder andere Mensch vor ihm – und zwar gleich um 37,5 Meter. Auf einer eigens für ihn erbauten Schanze in Island schwebte Kobayashi zehn Sekunden durch die Luft – bevor er unglaubliche 291 Meter vom Absprungsort entfernt landete. Der Beckenrandsprung in Tokio mag dagegen nicht der spektakulärste sein, »aber ein gewisses Risiko gibt es immer«, scherzt Kobayashi. Er tastet sich in großen Toga-Virilis-Stiefeln auf der rutschigen Oberfläche in kleinen Schritten voran, hinter ihm sprudelndes Wasser, dann springt er mit einem Grinsen ab.