Die fantastischen 4

»Ein formal stimmiges Produkt braucht keine Verzierung« lautete ein Grundsatz von Ferdinand Alexander Porsche. Wenn es ein Produkt von ihm gibt, das diesen Satz bedingungslos widerspiegelt, dann der Porsche 911, den F. A., wie er im Unternehmen genannt wurde, ab 1961 mit seinem Team designte und ein Jahr später als ­Porsche 901 auch auf der IAA vorstellte. Das ikonische Fahrzeug war die Blaupause für alles, was Porsche später beim Fahrzeugdesign umsetzte – und auch der Wegweiser für sein Schaffen bei der von ihm gegründeten Firma Porsche Design. Das erste Produkt, der Chronograph I, ist mit seinem schwarzen Zifferblatt unmittelbar aus den Erkenntnissen des Sportwagendesigns entstanden. Auch alle weiteren Objekte, die er schuf, folgten der Designphilosophie des Ur-Elfers und wurden zu Klassikern des modernen Designs. Der 911 war für den 1935 in Stuttgart geborenen F. A. übrigens ein »total neutrales Auto«, ein Gegenpol zu den extra-eleganten, lauten Sportwagen der damaligen Zeit. Wobei: Neutral war am 911 eigentlich nichts – oder wie Otl Aicher es formulierte: »Er fährt, auch wenn er steht.«

Für Anatole »Tony« Lapine war eines klar: »Konventionelle Autos wirken nach kurzer Zeit langweilig.« Daran hat er sich stets gehalten. Langweilige Autos entstanden unter seiner Leitung nie. Im Gegenteil. Porsche folgte unter seiner Design­leitung keiner Mode, sondern setzte immer wieder neue Trends. Als Nachfolger von F. A. Porsche war er es, der mit dem 928 im Jahr 1977 ein Auto vorstellte, dessen Design sogar als »terroristisch« bezeichnet wurde, als ein Unding. Bis heute wird über den Porsche mit Klapp­scheinwerfern diskutiert, auch das prophezeite der in Riga geborene Lapine. 

Seine erste Amtshandlung als Porsche Chefdesigner war der Entwurf des Ur-Elfer-Nachfolgers: die G-Serie. Hier wird sein Einfluss bis in die Gegenwart deutlich. Die US-Version bekam Faltenbälge und Prallflächen. Unter seinem Einfluss veränderte sich der 911: weniger Chromschmuck, mattschwarze Fensterrahmen und Türgriffe sowie ein von tiefschwarzem Gummi umrahmter Heck­spoiler. Noch heute sind dies Meilensteine im Design des 911 – nicht alle wurden beibehalten, aber keine davon werden wir je vergessen.

Vielleicht sind es die drei Wörter Bruch, Weiterentwicklung und Neuerung, die das Schaffen des Niederländers am besten beschreiben. Ersteres ist dem 911 der Generation 996 zuzuschreiben mit seinem längeren Radstand, den wechselnden konkaven und konvexen Linien und – natürlich – den bis heute hitzig und kontrovers diskutierten Scheinwerfern, die Vorderlicht und Blinker kombinierten. Zweiteres, die Weiterentwicklung, umfasst die Elfer der Generationen 964, 993, die Transaxle-Modelle 968 und 928 GTS und den 997 (Lagaaijs letzte Serie vor seinem Ruhestand 2004). Aber die Neuerungen sind es, die die 15 Jahre als Chefdesigner bis heute nachwirken lassen: der Boxster, der Porsche aus den Krisenjahren half, der Cayman und der Cayenne sowie die ersten Skizzen für den Panamera. Und natürlich nicht zu vergessen der Carrera GT, der mit Preisen überhäuft wurde.

»Ich glaube, dass das goldene Zeitalter für Designer erst beginnt.« Dieser Satz von Michael Mauer mag stimmen, trifft aber auf ihn selbst nicht zu. Sein goldenes Zeitalter als Chefdesigner bei Porsche währt bereits seit zwanzig Jahren, die Elfer-Generationen 991 und 992 entstanden unter seiner Leitung. »Einen neuen 911 Carrera zu designen, bedeutet, an der Identität, am Herzstück der Marke Porsche zu arbeiten«, betont er. Er prägt mit seiner Philosophie Marken- und Produktidentität wie kaum ein anderer. »Erkennen, dass es ein Porsche ist«, lautet der Grundsatz für Erstere. Er überträgt ihn scheinbar mühelos auf die unterschiedlichsten Fahrzeugsegmente inklusive der rein elektrisch angetriebenen ­Taycan und Macan oder den spektakulären Designstudien. Und dabei ist immer auf den ersten Blick die Produktidentität erkennbar, nämlich, um welchen Porsche es sich handelt. Keine Frage, Mauers Entwürfe sind Porsche pur, er selbst hat dafür eine eigene Definition gefunden: »Ich suche immer wieder Ausdrücke, die einen Porsche endgültig beschreiben können. Dabei habe ich ein für mich wunderbares Wortpaar gefunden: gestaltete Präzision.«

→ Mehr darüber erfahren Sie in dem neuen Porsche – The Design Book