Wahr ist, dass die Neunziger das letzte Jahrzehnt waren, in dem noch hemmungslos in Clubs gequalmt und gesoffen wurde und Drogen eher lustig aussahen. Allerdings war nichts davon jugendlichem Aufbegehren geschuldet. »Die Rebellion», so schrieb Rebecca Cassati einmal in der »Zeit« über die Neunziger, »bestand im Nichtrebellieren, in der Passivität oder Autoaggression.« In den Achtzigern kämpfte man noch mit einem Jutebeutel in der Hand gegen die Atomkraft oder mit überdimensionierten Schulterpolstern für den Hedonismus. In den Neunzigern ließ man die Schultern hängen und sang die Zeile »Black hole sun, won’t you come and wash away the rain« von Soundgarden.
Was aber nicht bedeutet, dass in diesen Jahren nichts passiert wäre, im Gegenteil. Am 9. November 1989 fiel die Mauer, die Handy- und Computertechnologie entwickelte sich in rasender Geschwindigkeit. Zwar wurde schon 1983 das erste Mobiltelefon kommerziell verkauft, die Massen erreichte es aber erst zehn Jahre später. Wer Mitte der Neunziger kein Nokia 1011, Spitzname »Knochen«, besaß, hatte den Einschlag echt nicht mitbekommen. Das Gleiche galt für Computer. Zu Beginn des Jahrzehnts nannte man Menschen mit einem Rechner noch »Weirdos«, zehn Jahre später fand man jeden befremdlich, der kein PowerBook 100 von Apple (mit 16 unterschiedlichen Graustufen) sein Eigen nannte. Sowieso wurde alles digitalisiert, was es eigentlich schon gab: Wissenswertes las man im Internet und nicht mehr im Buch, Nachrichten schrieb man per Mail oder SMS und nicht mehr per Hand. Und was die Musik anging: Die CD löste die Schallplatte und die Kassette ab.