Denken wir weiter an die Berührungspunkte mit der Marke über das Produkt hinaus. Wie weit sollen Designer hier aktiv sein, angefangen beim Bildmaterial zum Produkt über die Niederlassungen bis hin zu Markenevents?
MM: Die Markenwahrnehmung ist oft der erste Kontakt eines Kunden, erst danach folgt das Produkt. Somit muss die Gestaltung der Marke schon mitgedacht werden. Design prägt also zunächst die Markenidentität, zum Beispiel über Personifizierung, Wertebilder und Schlüsselwörter wie sportlich, nützlich, sympathisch, unerwartet. Daraus ergibt sich dann eine entsprechende Produktidentität. Das Design einer Marke kann also als Kompass für ihre grundsätzliche Ausrichtung dienen. Konkret: Viele andere Unternehmensbereiche, die ebenfalls an Schnittstellen zu Kunden und Fans beteiligt sind, können die strategische Ausrichtung der Designer als Basis ihrer Arbeit nutzen.
OB: Um in diesem Zusammenhang noch einmal das Thema Sprache aufzugreifen: Eine Marke ist umso klarer, je eindeutiger die Sprache ist. Design bildet eine Klammer über die Marke. Es geht nicht nur um das Produkt, sondern auch um weitere Touchpoints: Wie treten wir im Handel auf, in Onlineshops, wie in den Sozialen Medien? Unterschiedliche Dialekte bereichern das Ganze, aber am Ende muss es eine Sprache sein, nicht zwei, weil man sonst an Prägnanz und an Klarheit verliert.
Ist das nicht eine Herkulesaufgabe, dieses Bewusstsein für den Wert von Design bei all diesen Marken zu vermitteln, die aus der alten, auch guten Zeit des Automobils stammen?
OB: Design ist auch eine Art Führungsprinzip. Wir definieren Leitplanken – sie sind so eng, dass eine Sprache dabei herauskommt, und sie sind so weit, dass sich die Marke verwirklichen kann. Die Ausprägung muss jeder Designer finden.
Diese Akzeptanz für die Wertschätzung von Design in anderen Kompetenzbereichen zu erreichen wird aber Zeit brauchen, normalerweise fünf bis sechs Jahre. Oder was denken Sie?
OB: Wichtig ist, dass die gesamte Organisation spürt, welche Bedeutung das Thema Design hat. Für einen Mindset-Wechsel muss ich immer die ganze Mannschaft dabeihaben. Das schaffe ich auch, indem ich etwas konsequent vorlebe. Die Frage ist natürlich: Welche Prioritäten setze ich? Design ist eine. Die anderen sind die richtigen Produkte und die Qualität. Wobei Prioritäten zu setzen auch heißt, sie vorzuleben. Zum Beispiel habe ich von Anfang an gesagt, wir müssen Ikonen weiterentwickeln. Nehmen Sie den Golf. Volkswagen wollte ihn einstellen. Jetzt wird es auch zukünftig einen Golf geben. Der Golf ist eine Ikone. Kunden kaufen eine Marke, weil diese für eine klare Aussage steht. Und Ikonen prägen die Marke. Bei uns prägen Podukte wie der Porsche 911, der VW Bulli, der GTI, der Tiguan oder der Audi quattro die Marken. Denn Autos brauchen Gesicht und Geschichte – bei Volkswagen haben wir eine starke Herkunft, und die ist sehr wichtig für uns. Es gibt Newcomer im Markt, die auf Trends reagieren. Wir haben die große Chance, unsere Tradition weiterzuentwickeln.