Aston Martin Vanquish: Der V12 als Rückgrat des Selbst

Ein V12 stand und steht seit langer Zeit für das Konzept der Identität eines Sportwagens, eine Art des automobilen Selbst-Bewusstseins und des Ichs seines Fahrers. Jeder weiß Bescheid. Die Beziehung zur Gesellschaft, zur »Welt« ganz generell, ist klar und unmissverständlich. In den vergangenen Jahren hat sich das etwas geändert. Das Auto steckt in der Identitätskrise. Mit dem Diskurs über den Verbrenner in Zeiten des E-Antriebs verliert das Auto seine Identität. Man könnte, um der Sache im Geiste echter Autoficionado die entsprechende Dramatik zu verleihen, auch von einem Krieg gegen Mystik und Magie sprechen. Sie kämpfen an dieser Stelle bereits mit den Tränen? Entspannen Sie sich. Es gibt Hoffnung.

Aston Martin stellt genau jetzt den neuen Vanquish vor. Es ist die Rückkehr des Namens Vanquish und die technische Speerspitze des V12. Mit »All will be vanquished« (Alles wird bezwungen sein), kündigte Aston Martin das bereits im Vorfeld über eine Social-Media-Kampagne dramaturgisch korrekt an. 835 PS (fünf mehr als der neue Ferrari 12Cilindri) und 1.000 Newtonmeter drückt der V12-Biturbo. Das Aggregat ist bekannt aus dem DB12, wo er – ist das schon britische Zurückhaltung? –, »nur« 725 PS und 900 Newtonmeter leistet. Der Topspeed wird mit 345 km/h angegeben, kein Serienfahrzeug von Aston Martin war schneller. Noch in diesem Jahr soll ausgeliefert werden. Mehr als 1.000 Stück pro Jahr will Aston Martin nicht bauen. Begehrlichkeit wecken durch Limitierung. Auch das ein bewährtes Konzept für Sportwagen.

Es ist doch so, lediglich der Sportwagen schafft es durch seine Form und Technik das Bewusstsein und die Identität des Menschen zu beeinflussen und zu strukturieren. Der Sportwagen ist darauf ausgelegt, dem Menschen komplexe und doch simple Träume und Mythen zu verschaffen. Der Anblick eines Sportwagens setzt im Kopf eine ganze Fülle an Erzählungen, Geschichten, Mythen und Bildern frei. Das grenzt ihn ab von anderen Pkw. Dafür bedarf er nun Mal aber auch entsprechend eindeutiger Inhalte. Ein V12 ist genau das. Da werden im Kopf Bilder produziert und transportiert bis sich ganze Filme abspielen. Welche konkreten Bilder das dann im Einzelnen sind, muss natürlich jeder für sich herausfinden. Im Falle des Aston Martin Vanquish haben da die Macher von James Bond mal mit »Stirb an einem anderen Tag« ihre Version für die Ewigkeit auf die Kinoleinwand gebracht. Aston Martin Boss Lawrence Stroll spricht vom »wahrhaftigsten aller Aston Martin«. Ein Auto mit Mission. Er soll neue Maßstäbe setzen im Bereich Leistung, Stil und Luxus für »eine neue Generation von Liebhabern«.

Und dafür darf der Vanquish-Sportwagen mit einem V12 eben nicht mehr nur für die konkrete kurzfristige Zufriedenheit seines Fahrers sorgen, sondern er muss tatsächlich für Momente immer wieder eine Brücke zum Glück bilden. Das ist gar nicht so einfach. Denn es ist im Grunde eine Art real-werden-lassen von Werbeversprechen. Damit versucht der Vanquish so ein bisschen die Überhöhung des Kapitalismus, der sich meist ja darauf beschränkt, Sehnsüchte zu befeuern, sie aber dann gar nicht wirklich zu befriedigen. Vollauf wird das natürlich auch dem neuen Vanquish nicht gelingen. Aber er wird dem zumindest in kurzen Momenten sehr nahekommen.