Im großen, weiten Irgendwo

Der Zündschlüssel ist noch richtig aus Metall. Kein Fahrmodus-Menü. Kupplung, Gangwahl, Drehmoment – ja, richtig erkannt: ein Handschalter! Vier Gänge. Und dann rollen wir auch schon los in diesem wunderschönen Corvette C2 Cabrio. Dach offen, logisch. Alles geht leicht von der Hand. Ein gutes Stündchen Landstraße, Sächsische Schweiz in Richtung Glashütte. Da sind wir mittendrin – im Fahren und Reden. Wenn Thilo Mühle spricht, klingt das nicht nach Management-Sprech. Der Mann, der seit 2007 in fünfter Generation das sächsische Familienunternehmen Mühle-Glashütte leitet, ist keiner, der große Reden schwingt – aber wenn er etwas sagt, hört man zu. Über Uhren, Autos, Sport – und was es heißt, in bewegten Zeiten die Spur zu halten.

Herr Mühle, wer sind Sie?

Ich würde sagen, ich bin ein bodenständiger Mensch. Sehr heimatverbunden, das auf jeden Fall. Ich wuchs im Erzgebirge auf, meine Wurzeln liegen hier, das prägt. In der Jugend – also noch zu DDR-Zeiten – war ich eher mäßig motiviert. Die Schule war nicht mein Lieblingsort, weil mir der Sinn dahinter fehlte. Aber mit der Wende kam Bewegung hinein – ich ging in den Vertrieb und merkte schnell: Das ist mein Ding. Ich bin Vertriebler durch und durch. Ich mag den direkten Kontakt, das Erklären, das Begeistern. Und ­irgendwann kam die Leitung dazu – und mit ihr viel ­Verantwortung

Verantwortung klingt bei Ihnen fast wie ein Sport. Hilft da eine gewisse DDR-Pragmatik?

(lacht) Ob das typisch DDR ist, weiß ich nicht. Es gibt in Ost und West Pragmatiker und Träumer. Ich bin eher selten Letzteres. Ich versuche, Herausforderungen immer realistisch zu betrachten und Lösungen zu finden, die funktionieren. Was mir dabei hilft, ist sicher der Sport. Ich laufe viel, fahre Rad, mache Bergwanderungen – auch auf Höhen, wo die Luft schon dünner wird. Sport lehrt dich, über deine Grenzen hinauszugehen. Und wer das einmal erlebt hat, kann im Beruf entspannter mit Belastung umgehen.

Was bedeutet Ihnen Heimat?

Sehr viel. Ich lebe und arbeite im Erzgebirge, direkt an der Sächsischen Schweiz. Das ist eine wunderschöne Gegend – wenn auch mit engen Tälern, da muss man manchmal raus, um den Horizont zu weiten. Ich liebe das Abwechslungsreiche hier: die Landschaft, die Menschen, die Kultur. Wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin oder mit einem meiner Autos, entdecke ich immer wieder neue Orte. Und sei es nur ein kleiner, schön gebauter Hof oder ein Stück Volkskunst am Wegesrand.

Klingt, als wären Sie gerne mit dem Auto unterwegs?

Unbedingt. Vor allem mit meinen alten Fahrzeugen. Autobahnen meide ich da eher – das passt nicht zu einem Corvette Cabrio. Viel schöner ist es, über die kleinen Landstraßen zu cruisen. Ich kenne die besten Strecken im Umkreis von 250 Kilometern fast auswendig – durchs Erzgebirge, in die Lausitz oder ins Böhmische Mittelgebirge. Das ist Entschleunigung, Benzinromantik und ein bisschen Freiheitsgefühl in einem.

Was ist das für eine Corvette, die Sie da fahren?

Eine C2, Baujahr 1965, mit einem Smallblock – also rund 340 PS. Sie ist ein Symbol für Freiheit, für amerikanischen Optimismus, wie ich ihn als Kind im Osten wahrgenommen habe. Marlboro-Werbung, endlose Highways, das große, weite Irgendwo. Technisch war die Corvette nie ein Wunderwerk – die Scheibenwischer sind mehr Deko als Funktion –, aber sie lebt von ihrem Charakter. Und der ist ungeschliffen, charmant und ehrlich. Ich finde, das passt.

Sie besitzen noch andere Autos, oder?

Ja, ich habe ein Herz für Klassiker. Ein BMW E30 M3 Evo I gehört dazu – ein DTM-Traum meiner Jugend. Und ein Mercedes-Benz CL 500 – sehr komfortabel, fast eine Sänfte. Damit kann man auch mal 400 Kilometer am Stück fahren, ohne dass man es im Rücken spürt. Ich mag Autos, die etwas erzählen. Genau wie unsere Uhren.

Was macht Ihr Unternehmen aus?

Kurz gesagt: Präzision mit Charakter. Wir sind ein Familienunternehmen zum Anfassen. Unsere Uhren sind keine Blender, sondern Instrumente – robust, zuverlässig, klar ablesbar. Mein Urgroßvater fing mit Messinstrumenten an, fertigte später Einbauuhren und Tachometer – auch für Fahrzeuge der Auto Union oder von BMW. Diese Tradition des genauen Messens führen wir heute fort – mit mechanischen Armbanduhren. Und immer mit dem Anspruch: Die Zeit muss zuerst sichtbar sein. Alles andere kommt danach. Das gilt heute ja nicht mehr ( ... )

→ Die gesamte Interview mit Thilo Mühle lesen Sie in der neuen ramp #68 »Happy as a Clam«.